GERLINGEN - Nahezu 60 Prozent der Kommunen können ihren Verwaltungshaushalt 2003 nur durch negative Zuführungsraten decken, immer weitere finanzielle Aufgaben kommen auf die Kommunen zu. Die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden war das Hauptthema bei der Tagung des Gemeindetages Baden-Württemberg am Dienstag in Gerlingen.

Aktion "Rettet die Kommunen"“ - Informations- und Mobilisierungskampagne des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Städteverband und Gemeindetag haben einen Gesetzentwurf (PDF-Dokument) und Forderungskatalog vorgelegt, mit dem konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen und strukturellen Entlastung der Kommunen gefordert werden. Dieser Gesetzentwurf wird auch vom Landkreistag unterstützt.

1. Sicherung der Finanzausstattung; Gesetz zur finanziellen Entlastung der Kommunen in Schleswig-Holstein

Während die Einnahmen der Kommunen sinken, bleiben die Aufgaben der Kommunen in gleichem Umfang bestehen. Deshalb fordern die kommunalen Landesverbände eine dauerhafte und verläßliche Finanzausstattung der Kommunen durch eine Garantie der Finanzausgleichsmasse, für den Fall, dass die Einnahmen in erheblichem Umfang wegbrechen. Kann eine aufgabenangemessene Finanzaustattung für die Aufgabenerfüllung nicht mehr gewährleistet werden, dann muss das Land die Kommunen von sich aus von Aufgaben befreien oder von Leistungsstandards absehen. Diese Situtation ist eingetreten.

Durch dieses Gesetz müssen daher die Gestaltungsspielräume der Kommunen durch Befreiung von Vorgaben im Landesrecht Schleswig-Holsteins geschaffen werden.

Eine Befreiung auf Antrag der Kommune soll z. B. gelten für die Anzahl und die Qualifikation des einzusetzenden Personals, für Vorgaben zum Betrieb und zur Ausgestaltung öffentlicher Einrichtungen, für öffentliche Leistungen, für die Durchführung von Verwaltungsverfahren sowie für die Einrichtung, Beschaffung und Vorhaltung von Bauten und Sachmitteln. Das Befreiungsgesetz soll befristet bis Mitte 2007 gelten.

2. Eine Lockerung des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte

Durch eine Änderung des Mittelstandsförderungsgesetzes sollen die Kommunen künftig von den strengen Bindungen des Vergaberechts teilweise befreit werden. Erst wenn öffentliche Aufträge größere Auftragssummen erreichen, gelten die strikten Vorgaben des Vergaberechts unbeschränkt.

3. Die Überprüfung und Befristung von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften

Die kommunalen Landesverbände verlangen einen "Gesetzes-TÜV", d. h. eine Überprüfung aller Verordnungen dahingehend, ob vor dem Hintergrund der sich dramatisch verändernden finanziellen Rahmenbedingungen für die Kommunen ein Regelungsbedürfnis überhaupt noch besteht oder eine Befristung möglich ist. Mit einer vergleichbaren Zielsetzung sollen auch alle Verwaltungsvorschriften der Landesregierung überprüft werden.

4. Eine Gesetzesfolgenabschätzung mit Konsultationsmechanismus

Die kommunalen Landesverbände fordern weiter eine bessere Einbindung bei Entscheidungen des Gesetzgebers über die Verlagerung von Aufgaben oder die Übertragung neuer Aufgaben auf die Kommunen. Mit einem Konsultationsmechanismus soll ausgeschlossen werden, daß den Kommunen durch Maßnahmen des Bundes und/oder der Länder gegen ihren Willen finanzielle Lasten aufgebürdet werden. Bund und Länder müssen eine Verhandlungspflicht mit der kommunalen Ebene haben. Die Kostenfolgen müssen gemeinsam festgestellt werden (Prinzip der Einstimmigkeit). Wird die Verhandlungspflicht nicht eingehalten oder ein vollständiger Kostenausgleich für eine Aufgabenübertragung nicht gewährt, muß der Bund oder das Land die Kosten tragen (Sanktion).

5. Eine Konsultation auch bei Gesetzesvorhaben des Bundes

Die Länder wirken über den Bundesrat an der Entstehung von Bundesgesetzen mit. Deshalb dürfen die Länder im Bundesrat Gesetzesvorhaben, die direkte Auswirkungen auf die Kommunen haben, nur dann zustimmen, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, daß eine ausreichende Finanzierung gewährleistet wird. Deshalb müssen sie in diesen Fällen ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat im Vorfeld mit den kommunalen Landesverbänden abstimmen.

6. Der Grundsatz "wer bestellt, bezahlt" muß im Grundgesetz verankert werden

7. Abbau der Gesetzesflut

Die kommunalen Landesverbände fordern den Bund und das Land auf, die Verwaltung zu verschlanken und die Flut der Gesetze einzudämmen. Deutschland braucht Gesetzgebungsverfahren des Bundes und der Länder, die mehr Transparenz, innovative Verfahren und Praxisnähe enthalten!

Brief von Bürgermeister Hauser der Stadt Kürnbach an Herrn Dr. Steger vom Gemeindetag Baden-Württemberg

„Rettet die Kommunen“ - Informations- und Mobilisierungskampagne des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

10.02.2003

Sehr geehrter Herr Dr. Steger,

wir begrüßen die Initiative sehr!

Unser Kommentar: Diese Aktion hätte schon viel früher kommen müssen.

In Bezug auf die außerordentliche prekäre und dramatische Finanzsituation bei vielen Gemeinden und Städten, vermuten wir, dass die Aktion nicht die entsprechende Wirkung hat, die notwendig wäre, um dringende Korrekturen zu erreichen.

Der beigefügte Pressespiegel stammt nicht aus dem Jahre 2002 oder 2003, sondern von 1996!

Es hat sich seither fast nichts zu Gunsten der Kommunen geändert, mit Ausnahme, dass die Steuereinnahmen weiter dramatisch gesunken sind und sich die Ausgaben, insbesondere im Bereich der Umlagen, erhöht haben.

Städte- und Gemeindetag, wir alle, müssen viel intensiver und kompromissloser auf die Finanzsituation hinweisen.

Die dramatische Finanzsituation muss stärker thematisiert werden. Über den Finanzausgleich müssen Veränderungen erfolgen.

Die Kommunen dürfen nicht weiterhin die „Melkkühe“ der Nation sein, sonst ist die nächste „Finanzgemeindereform“ nicht weit entfernt und vor allen Dingen werden viele kleinere Kommunen ausnahmslos „über den Jordan gehen“.

Mit freundlichen Grüßen

Hauser, Bürgermeister

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